Erbrecht Rechtsbeiträge
Der Pflichtteilsanspruch; Was ist zu beachten?
von Rechtsanwältin Gabriela Althoff
Wird ein Pflichtteilsberechtigter vertreten, empfiehlt es sich zu prüfen, ob er wirksam enterbt wurde. Kann z. B. die letztwillige Verfügung, durch die der Pflichtteilsberechtigte von der Erbfolge ausgeschlossen wurde, durch Anfechtung beseitigt werden, empfiehlt sich zunächst die Wege der Testamentsanfechtung zu beschreiten.Stellt sich heraus, dass mein Mandant tatsächlich enterbt wurde, wird zunächst der Erbe außergerichtlich aufgefordert Auskunft über den Nachlass zu erteilen. Ihm steht die Hälfte des gesetzlichen Erbteils in Geld zu.
Wie wird der Nachlass ermittelt ?
Die Berechnung der Pflichtteilsquote ist sehr einfach, wenn die Verwandtschaftsverhältnisse bekannt sind. Um den Nachlassbestand feststellen zu können empfiehlt es sich zunächst den Erben aufzufordern Auskunft über den Aktiv- / Passivnachlass (Vermögen / Verbindlichkeiten) sowie ggf. ausgleichspflichtige Zuwendungen (Schenkungen) zu Lebzeiten zu erteilen.
Worauf ist der Pflichtteilsanspruch gerichtet? Was versteht man unter Pflichtteilsrecht?
Man unterscheidet zunächst zwischen dem Pflichtteilsrecht und dem Pflichtteilsanspruch. Das Pflichtteilsrecht ist ein Rechtsverhältnis, dass zwischen dem Erblasser (bspw. den Eltern) und dem Pflichtteilsberechtigten, (bspw. den Kindern) bereits zu Lebzeiten eines Elternteils besteht und das nach dessen Tod sich mit den Erben fortsetzt. Mit dem Erbfall entsteht aus dem Pflichtteilsrecht der Pflichtteilsanspruch, es sei denn dem Pflichtteilsberechtigten wurde ein Erbteil hinterlassen, der der Hälfte des gesetzlichen Erbteils entspricht oder diesen übersteigt.
Bei dem Pflichtteilsanspruch handelt es sich um einen Anspruch auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme. Der Pflichtteilsanspruch ist somit nur als Geldleistung zu beanspruchen. Die Voraussetzung für die Geltendmachung der Pflichtteilsanspruches ist wie gesagt, dass der Pflichtteilsberechtigte von der Erbfolge ausgeschlossen wurde also enterbt wurde. Wurde der Pflichtteilsberechtigte vom Erblasser als Erbe zu einer Quote eingesetzt, die größer als die Hälfte der gesetzliche Erbquote ist, ist zu prüfen, ob Beschränkungen oder Beschwerungen gleichwohl zu einem Pflichtteilsanspruch führen können. Dies ist dann zu bejahen, wenn der Pflichtteilsberechtigte nur als Vor- oder Nacherbe eingesetzt wurde und er durch Vermächtnisse, Auflagen, die Anordnung der Testamentsvollstreckung oder Teilungsanordnungen beschwert ist. In diesen Fällen hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf den vollen Pflichtteil nur dann, wenn er den Erbteil innerhalb der gesetzlichen Frist (6 Wochen) nach Kenntnis vom Erbfall ausschlägt.
Wann entfällt der Pflichtteilsanspruch / -recht? ( Entziehung des Pflichtteils )
Kein Pflichtteilsrecht besteht, wenn dem Pflichtteilsberechtigtem der Pflichtteil wirksam entzogen wurde. Die Entziehung des Pflichtteils ist im BGB geregelt. An die Entziehung des Pflichtteils sind enge Voraussetzungen geknüpft. Die Entziehung des Pflichtteils gegenüber einem Abkömmling kommt immer dann in Betracht, wenn der Abkömmling dem Erblasser, dem Ehegatten oder einem anderem Abkömmling, meist den Geschwistern des Erblassers nach dem Leben trachtet, oder wenn der Abkömmling sich einer vorsätzlichen körperlichen Misshandlung des Erblassers schuldig gemacht hat oder wenn der Abkömmling sich eines Verbrechens oder schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblassers oder dessen Ehegatten schuldig gemacht hat, oder wenn der Abkömmling die ihm dem Erblasser gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt hat oder wenn der Abkömmling einen ehrlosen und unsittlichen Lebenswandel, wider dem Willen des Erblassers führt. Neben der Entziehung des Pflichtteils eines Abkömmlings, eines Kindes, kommt auch die Entziehung des Elternpflichtteils oder des Ehegattenpflichtteils in Betracht. Das Pflichtteilsrecht entfällt auch, wenn der vorzeitige Erbausgleich vereinbart war, und im Falle des Erbverzichts. Auch stehen einem Erbunwürdigem, dessen Unwürdigkeit festgestellt worden ist und einem geschiedenen Ehegatten kein Pflichtteilsanspruch mehr zu.
Wie ermittelt man den Pflichtteilsanspruch?
Die Höhe des Pflichtteilsanspruches sind zwei Komponenten maßgeblich. Zum einen ist die gesetzliche Erbquote zu ermitteln und davon die Hälfte zu nehmen. Die andere ist den Bestand des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls zu ermitteln. Maßgeblich ist dabei der Nettonachlass, d.h. von dem Vermögen sind die Verbindlichkeiten in Abzug zu bringen. (Aktiva − Passiva = Reinnachlass)
Was ist ein Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Soweit der Erblasser innerhalb der letzten 10 Jahre Schenkungen an Dritte vorgenommen hat, kann der Pflichtteilsberechtigte eine Ergänzung des Pflichtteils insoweit verlangen, als durch den verschenkten Gegenstand der Wert des Nachlasses vermindert würde. Dabei handelt es sich um einen selbstständigen Anspruch der in einem Klageverfahren auch isoliert, bzw. separat geltend gemacht werden kann. Bei der Berechnung wird dabei mit einer Fiktion gearbeitet, d. h. der Wert des verschenkten Gegenstandes wird dem realen Nachlass hinzugerechnet. Grundsätzlich unterliegen Anstands- und Pflichtschenkungen nicht dem Ergänzungsanspruch. Gleichwohl besteht auch insoweit ein Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten. Der Erbe, bzw. auch der Beschenkte sind beweispflichtig dafür, dass die erbrachte Zuwendung nicht der Pflichtteilsergänzung unterliegt. Der Pflichtteilsberechtigte hat sich Geschenke, die er selbst erhalten hat anrechnen zu lassen. Bei der Bewertung des verschenkten Gegenstandes ist grundsätzlich immer auf den Verkehrswert abzustellen.
Wer kann Pflichtteilsberechtigter sein? Gegen wen richtet sich der Pflichtteilsanspruch?
Als Pflichtteilsberechtigter kommen grundsätzlich nur die Abkömmlinge, der Ehegatte (Ehegattenpflichtteilsrecht) und die Eltern des Erblassers in Betracht. Die adoptierten und nichtehelichen Kindern werden den leiblichen Kindern gleichgestellt (Pflichtteilsberechtigt können nicht der Bruder gegenüber der Schwester, der Bruder gegenüber dem Bruder etc sein).
Anspruchsverpflichtet, d. h. den Pflichtteilsanspruch zu befriedigen haben grundsätzlich die Erben. Auch bezüglich des Pflichtteilsergänzungsanspruches ist grundsätzlich der Erbe anspruchsverpflichtet auch wenn ein Dritter die Schenkung erhalten hat. Einen Anspruch gegen den Beschenkten besteht nur, insoweit der Erbe nicht verpflichtet werden kann, d. h. wenn nach § 2329 I BGB, beispielsweise der Nachlass zur Befriedigung des Ergänzungsberechtigten nicht ausreicht oder kein Nachlass vorhanden oder der vorhandene Nachlass überschuldet ist.
Wann verjährt der Pflichtteilsanspruch?
Der Pflichtteilsanspruch verjährt nach 3 Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt. Ansonsten in 30 Jahren nach Eintritt des Erbfalls.Die Verjährung beginnt zu laufen, nachdem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis vom Erbfall und seiner Enterbung hat. Auf die Kenntnis des genauen Ausmaßes der Enterbung kommt es nicht an. Die Verjährung beginnt erneut, wenn der Erbe den Anspruch anerkennt. Durch Erhebung der Zahlungsklage wird die Verjährung gehemmt. Der Lauf der Verjährung wird auch durch die Erhebung einer Stufenklage auf Auskunft und Leistung unterbrochen. Allein die Erhebung einer Auskunftsklage ist hingegen nicht ausreichend. Auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch verjährt nach 3 Jahren und zwar ab doppelter Kenntniserlangung vom Tod des Erblassers und der beeinträchtigenden Verfügung. Der Anspruch der Pflichtteilsergänzung gegen den Beschenkten verjährt zwar auch in drei Jahren. Hier ist der Fristbeginn allein von dem Todeszeitpunkt des Erblassers abhängig.